Freiwilligenarbeit in Ghana - Erfahrungsbericht

5 Monate unterrichten

(von Julia, 25.01.2016)

Mein Name ist Julia, ich bin 19 Jahre alt und habe im vergangenen Sommer, wie viele andere, mein Abi gemacht. Am 01.09.15 hab ich mein geliebtes Zuhause verlassen und mich für 5 Monate nach Ghana aufgemacht. Dort hab ich mich in Agona Swedru in einem Kinderdorf angemeldet, wo ich als „teaching assistant“ in der Grundschule arbeiten sollte. Nach einer Orientierungswoche in der Schule habe ich mich dann für die 3. Klasse entschieden und dort die Mathestunden übernommen. In 11 Tagen geht es für mich zurück nach Deutschland und immer noch suche ich eine Antwort auf die Fragen der Fragen: „Und? Wie wars?“

Laut wars Ghanaer halten nicht viel von Ruhe. Man findet kaum einen Fleck, an dem man sich von der Lautstärke erholen könnte. Auf den Straßen hupen die Taxis. Alle hundert Meter dröhnen Musik oder Predigen aus mannshohen Lautsprechern. Kinder suchen die Aufmerksamkeit des „Obrunis“ und geschäftige Menschen versuchen ihre Produkte durch lautes Schreien an den Mann zu bringen. Selbst „daheim“ läuft das Radio immer laut oder der TV ist an. Auch in der Nacht ist es kaum still, da einige Kirchen und Moscheen schon früh Gottesdienst feiern und auch die Hähne beweisen wollen, was sie können. Nach der Zeit gewöhnt man sich jedoch an die Lautstärke und man schafft es, an fast jedem Ort seinen Schlaf zu finden.

Heiß wars Heiß, heißer, Ghana. Hier im Land hat es durchschnittlich 30 Grad, gefühlt sind es aber 37 Grad. Auch der Wechsel von der Regenzeit in die Trockenzeit hat nur kurz einen Temperatursturz verschafft. Bis wir in der Schule angekommen sind, waren wir meistens pitschnass. Das Schweißtuch ist mein ständiger Begleiter. Dabei scheint den Ghanaern die Hitze gar nichts auszumachen. Im Gegenteil, wenn es für uns angenehm war, haben die Einheimischen die Pullover übergezogen.

Lecker wars Das Essen hier ist toll. Bis auf Plantain (Kochbanane) und Gari (Cassavapulverbrei) esse ich alles gerne. Am liebsten Banku, Jollof und Beans- aber nur von meiner Gastmama, die mit Abstand das beste Essen macht. Man kann auch überall auf der Straße Obst kaufen, das einem verzehrbeireit geschnitten wird. Wenn einen Mal der kleine (oder auch größere) Hunger packt, findet man auf jeden Fall was bei einem der zahlreichen Essenstände auf den Straßen, die Reis, Banku und Plantain anbieten. Und man wird immer satt.

Günstig wars Für einen waschechten Schwaben wie mich, genau richtig. Ein sättigendes Banku für 50p, eine Trotrofahrt zum Strand für 3GHc, ein maßgeschneidertes Kleid für 40GHc. Wer aber europäische Produkte will, muss den europäischen Preis zahlen.

Lehrreich wars Eigentlich brauchte ich nur einen guten Übergang, um über die Schule sprechen zu können. Dort hab ich die 3.Klässler hauptsächlich in Mathe unterrichtet. Manchmal habe ich auch andere Fächer übernommen, wenn mein Lehrer mit anderen Dingen beschäftigt war. Schwer hatte ich es, als mein Lehrer für eine Woche krank war, weil die Kinder von meinem Geschreie und meinen Strafmaßnahmen wenig beeindruckt waren. Aber ich hatte trotzdem meinen Spaß. Besonders an den Tagen, an den die Arbeit mit den Kinder gut lief und wir eine Stunde ohne Schwierigkeiten bewältigt haben. Ich hab mich sehr schnell an meine Kinder gewöhnt, sie noch schneller ins Herz geschlossen und bald auch gemerkt, wer welche Stärken und Schwächen hat. Ich hoffe, die Kinder konnten was von dem behalten, was ich ihnen beigebracht hab, auch wenn ich es nicht auf Fante erklären konnte. Auch ich hab einiges über meine Stärken und Schwächen gelernt und habe in der Schule einiges an Lebenserfahrung gewonnen.

Schee wars In Ghana gibt es viele unglaublich schöne Orte. Wir waren am Wochenende viel auf Reisen, um so viel wie möglich zu sehen. Leider haben 5 Monate nicht gereicht, bis in den Norden hab ich es nicht geschafft. Aber auch im Süden gibt es einiges zu sehen. Da wir nah am Meer sind, gibt es viele Strände und tolle Strandhotels. Weiter innen im Land ist Accra, mit tollen Märkten. Von Accra aus kommt man fast überall hin. In der Volta Region gibt es tolle Wasserfälle, in der Nähe des Staudamms kann man eine kleine Safaritour machen und sogar etwas wandern und bei Kumasi kann man Traditionsarbeit bewundern und durch den ghanaischen Dschungel „spazieren“. Und anders als in Deutschland muss das Reisen nicht auf die Minute genau geplant werden, weil man immer ein Trotro findet und immer irgendwo ein Zimmer frei ist.

Menschenreich wars Die Menschen in Ghana sind sehr kontaktfreudig, vor allem gegenüber Weißen. Neben dem gewöhnlichen „Hi, how are you?“ gehen viele gerne in tieferes Gespräch ein, das meistens darauf hinaus läuft, dass sie dein Freund sein wollen und ob man denn nicht Nummern tauschen könnte. Es ist nicht immer einfach mit diesen Freundschaftsanfragen umzugehen, weil ein „Nein“ nur selten akzeptiert wird. Es war auch manchmal unangenehm, wenn man am Strand als Frauengruppe unterwegs war und heiratswillige Männer anlockt. Deswegen hab ich mir angewöhnt, einen Ring am linken Finger zu tragen. Mir wird dann auch immer geglaubt, wenn ich sage, dass ich mit 19 schon verheiratet bin und das erste Kind schon in Planung ist. Doch trotz allem sind die Ghanaer sehr hilfsbereite Menschen, die einen durchs Krankenhaus lotsen oder zur nächsten Trotrostation bringen. Ich hab hier einige tolle Leute kennen gelernt. Dazu gehören meine beiden Gastbrüder, mit denen das Familienleben sehr viel einfacher ist. Die Kinder in der Schule, die mir so schnell ans Herz gewachsen sind. Aber auch die anderen Freiwilligen, mit denen ich so oft unterwegs war und mit denen ich so viel erleben durfte.

Schwierig wars Ich hatte es nicht immer leicht. Am Anfang hatte ich schlimmes Heimweh und einen großen Kulturschock. Da sind der viele Müll auf den Straßen, die Umstände, in denen die Ghanaer leben müssen und einfach das Leben, das hier so anders ist. An die Stromausfälle und das Duschen mit dem Eimer, wenn das Wasser mal wieder nicht kommt, hab ich mich schnell gewöhnt. Nur mit einigen Dingen komme ich bis jetzt noch nicht klar. Die Tatsache, dass die Ghanaer gerne in der Öffentlichkeit urinieren gehört zum Beispiel dazu. Ich bin auch nie damit klar gekommen, dass die Kinder in der Schule noch geschlagen werden oder viele aufgrund von Geldmangel nicht ins Krankenhaus oder zur Schule gehen können. Da blutet einem oft das Herz. Doch dann gibt es wieder Momente, die einem ein Pflaster auf die Wunder kleben.

Ghana wars THIS IS GHANA, so sagen es die Einheimischen immer. Und da haben sie recht. Ghana ist anders, ganz anders als Deutschland. Ich hab zwar noch nicht so viel von der Welt gesehn, aber ich denke, Ghana hat mich ziemlich abgehärtet. Trotzdem bereue ich es keine Minute, dass ich vor 4 ¾ Monaten in den Flieger nach Accra gestiegen bin. Ich habe hier Dinge erlebt, Menschen getroffen und Erfahrungen gesammelt, dich ich nicht mehr missen möchte. Auch wenn es nicht immer leicht war, hab ich dieses Land in mein Herz geschlossen und ich weiß jetzt schon, dass ich wieder kommen will.
„Und? Wie wars?“- Eine Erfahrung, die gemacht werden musste.

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