Freiwilligenarbeit in der Dominikanischen Republik - Erfahrungsbericht

Ganztagesprogramm für Kinder

(von Amos-Silvio, 28.10.2015)

Fast einen Monat bin ich jetzt schon hier in einem kleinen Ort außerhalb der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo, und seit kurzem fühlt es sich wie ein Zuhause an. Die unglaubliche Offenheit der Menschen hier macht das auch mehr als einfach. Zu meinem Einsatzplatz: Inmitten der verstreuten Ansammlung von 5000 der wahrscheinlich ärmsten Bürger, hat der Leiter der Organisation ein Schulgelände aufgebaut, das den Kindern von 3-11 Jahren durch sein Bildungsangebot eine Chance geben soll. Eine Chance, ihren Horizont, ihre Träume und Talente, kennenzulernen und zu erweitern. 

Und damit nicht genug: Zwei Mahlzeiten am Tag werden ihnen bereitet und ein Team von Medizinern kümmert sich kostenlos um die Leiden der ganzen Gemeinde. Ein Wasserfilterungssystem sorgt für trinkbares Wasser, weil das aus der Leitung viel zu verschmutzt ist. Außerdem veranstaltet die Organisation äußerst willkommene kulturelle Veranstaltungen wie ein Filmfest, Camps und Musikabende zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls – immerhin stehen die Häuser meist einen halben Kilometer voneinander entfernt, und viele Anlässe zur Sozialisierung gibt es sonst nicht. 

Soviel zum äußerlichen, den Strukturen in denen ich mich hier bewege. Auf einer persönlichen Ebene passiert jedoch so viel mehr: Am ersten Tag aus seiner Unterbringung zu treten und den Umarmungen von 20 Kindern zu erliegen, bereitet mich schon etwas vor auf die so willkommenheißende Art der Dominikaner. Diese erlauben mir in den ersten Tagen auch dadurch, dass sie selbst noch die Sprache lernen, mein Spanisch an das hiesige anzupassen – Aussprache und Vokabular sind wie eine andere Sprache. Mittlerweile funktioniert es immer besser und meine Antworten bestehen aus mehr als „Perdón? No entiendo“. 

So etwas wie einen Alltag gibt es noch nicht wirklich. Die Hälfte der Zeit bis jetzt hat mich eine Grippe heimgesucht, was bedeutete: Viel im Bett liegen, Ärzte besuchen in der Hauptstadt – aber auch die Anteilnahme meiner Freunde und im speziellen Severinos spüren, die mich umsorgt und aufgeheitert haben. Die andere Hälfte bestand daraus, die verschiedenen Klassen kennenzulernen und mich mit Kindern, Lehrern und den Gepflogenheiten vertraut zu machen. In Zukunft soll ich aber eigene Kurse geben – in Informatik, Englisch, Musik und Mathematik.

Darüber hinaus nimmt mich der Leiter der Organisation gern mit auf diverse Touren im Namen eines seiner vielen Projekte, die er außerdem noch hat. Dazu zählen landwirtschaftliche Arbeit zur Versorgung der Fundación ebenso wie politische, um der Gemeinschaft des Ortes die Aufmerksamkeit und die Repräsentation zu ermöglichen, ihre Interessen einzubringen, und vieles mehr – faul ist man hier nicht. Trotzdem wissen die Menschen hier auf erstaunliche Art und Weise, das Leben – ihr Leben nicht weit vom Existenzminimum – zu genießen. Jeder hier scheint vor Lebensfreude zu strotzen und macht vor, was ein Großteil der Leute in Deutschland vergessen zu haben scheinen: Dass wahrer Reichtum der Innere ist.

Fazit nach einem halben Jahr:

Wie, das soll ein halbes Jahr gewesen sein? Der Kalender bestätigt, was gefühlt wesentlich schneller vorbeiging. Sechs Monate lang war ich in einer kleinen Gemeinde in der Dominikanischen Republik, die sich der ärmeren Menschen annimmt. Konkret bedeutet das eine Schule für über 100 Kinder mit Ganztagesprogramm, freie medizinische Versorgung sowie zahlreiche weitere Projekte die zum Wachstum der Gemeinde und der Entwicklung der dritte-Welt-Umstände beitragen sollen. 

Meine Arbeit bestand darin, unter der Woche in den verschiedenen Klassen Lesen, Schreiben, Englisch und Mathematik zu lehren sowie darüber hinaus jegliche Aufgabe zu erfüllen die gerade anstand. Betreuen von Touristen als “Dominikanischer Führer”, eine Wand mauern, ein Maisfeld bewässern oder das westliche Aushängeschild bei politischen Aktionen sein, zu tun gibt es hier genug. Aber wie unser Leiter bei dem Vortreffen bemerkte, die Hilfe ist gegenseitig und was ich zurückbekommen habe, ist unglaublich wertvoll. Angefangen bei Tanzlektionen, der Sprache, generell der Willkommensbereitschaft bis zu der prägenden Erfahrung einer ganzen Kultur, mehr noch - eines anderen Lebens, dessen Teil ich werden durfte. So weit, dass man mir sogar am Ende ein Schild mit der Aufschrift “100% dominican” ansteckte. 

Kulturelle, menschliche und pädagogische Herausforderungen haben mir in dieser Zeit einen wichtigen Reifeprozess ermöglicht, sowie meine Perspektive von den wichtigen Dingen im Leben verschoben. Dazu eine kleine Anekdote/Metapher, die ich als sehr wichtig empfunden habe: Die Häuser hier sind größtenteils kaum mehr als Blechhütten zwischen Gestrüpp, ziemlich genau dem Bild entsprechend das ich von einem Leben in der Dritten Welt erwartet hatte. Dann aber wurde ich eingeladen in eines dieser Häuser und auf einmal eröffnete sich mir eine kunstvolle Einrichtung samt niedlicher Suppenschüsseln, auf denen deutsche Rezepte gedruckt waren. 

Spätestens an diesem Punkt habe ich aufgegeben, Dinge - und Menschen - nach ihrem äußeren zu beurteilen, diese doch sehr Klischeebehaftete Überzeugung zu verstehen, dass der wahre Reichtum im Innern liegt. Denn ja, die Menschen hier sind arm, sie kämpfen täglich ums Überleben. Weil das Leben ihnen all das wert ist und die Kunst, aus einer kleinen eine große Freude zu machen, unbezahlbar ist. 

Ein Teil diese Gemeinschaft sein zu dürfen, macht mich sehr dankbar und ich glaube, ich konnte den Menschen zumindest einen Teil davon zurückgeben.

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